BOGESTRA


Die Märkische Straßenbahn hatte eine hohe operative und finanzielle Bürde auf die Westfälische Straßenbahn GmbH übertragen. Um die Sanierungsarbeiten durchzuführen, das Netz auszubauen und den Wagenpark zu erneuern, musste das junge Unternehmen hohe Kredite aufnehmen.

Die erwartete Ansiedlung neuer Zechen und Industriebetriebe und damit auch eine Verdichtung der Wohnbebauung zwischen Witten und Castrop blieb aus. Zu einer ersten Streckeneinstellung kam es am 3. August 1914 infolge der Mobilisierung für den Ersten Weltkrieg zwischen Laer und Werne. Die Verbindung wurde nicht mehr reaktiviert.

Erst nach dem Ersten Weltkrieg konnte die Westfälische Straßenbahn den Austausch der Gleise der Märkischen Straßenbahn abschließen. Zugleich wurden Lage und Länge der Ausweichen optimiert, um mit weniger Fahrzeugen pünktlicher fahren zu können.

INFLATION

Pläne, das Straßenbahnnetz von Bommern weiter nach Süden und von Annen in Richtung Dortmund auszubauen, wurden verworfen. Dazu trug insbesondere die Nachkriegsinflation bei, die 1923 in eine Hyperinflation mündete. Die Fahrgastzahlen gingen kontinuierlich zurück. Eine Fahrt mit der Straßenbahn wurde de facto unerschwinglich. Da die an der Westfälischen Straßenbahn GmbH beteiligten Gemeinden die Verluste nicht ausgleichen konnten, verfügte der Aufsichtsrat am 11. Oktober 1922 die vollständige Einstellung des regulären Wittener Straßenbahnbetriebs ab dem 16. Oktober 1922.

RUHRBESETZUNG

Für Menschen, die auf die Straßenbahn angewiesen waren, war es ab dem 30. Oktober 1922 an Werktagen möglich, in den Zugtriebwagen der Straßenbahngüterzüge mitzufahren. Sie transportierten Kohle von Sodingen über Castrop nach Annen. Ab dem 10. Dezember 1922 gab es an Sonn- und Feiertagen stündlich Personenverkehr zwischen Witten Markt und Castrop, werktags blieb der Straßenbahnverkehr eingestellt.

1923 geriet auch der Güterverkehr unter Druck. Einerseits durch Auflagen der französischen und belgischen Truppen, die im Januar das Ruhrgebiet besetzt hatten, um die Reparationsvereinbarungen aus dem Vertrag von Versailles durchzusetzen. Andererseits aufgrund des passiven Widerstands gegen die Besetzung.

Erst Anfang 1924 war die Rückkehr zum geregelten Linienverkehr möglich. Nach der Einführung der Reichsmark im August 1924 konnte man auch wieder in neue Fahrzeuge und in neue Strecken investieren.

INSOLVENZ

Trotz, vielleicht aber auch wegen der mutigen Ausbauten des Streckennetzes geriet die Westfälische Straßenbahn GmbH Ende 1930 erneut in eine wirtschaftliche Schieflage. Die Investitionen hatte man größtenteils mit Fremdkapital finanziert. Als der Hauptgläubiger im Kontext der Weltwirtschaftskrise die Rückzahlung der Kredite und Zinsen einforderte, kam es 1932 zur Insolvenz. Der Konkursverwalter verpflichtete die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG, den Betrieb weiterzuführen.

Die Probleme jedoch blieben. Am 31. Dezember 1937 musste die Westfälische Straßenbahn den Betrieb einstellen. Vom 1. Januar 1938 an übernahm die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG (BOGESTRA) die Strecken und Fahrzeuge und damit auch das Wittener Netz.

ÜBERNAHME

Die Linie E von Bommern Denkmal über Witten, Langendreer und Lütgendortmund zur Emschertalbahn nach Castrop war zwar wirtschaftlich notleidend, wurde aber von den beteiligten Gemeinden als weiterhin notwendig angesehen. Sie wurde somit von der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG übernommen und als Linie 27 weitergeführt.

Die Linie H (Kaisersteg – Langendreer Bahnhof – Werne – Lütgendortmund Bahnhof) wurde am 31. Dezember 1937 eingestellt. Zwischen Lütgendortmund Markt und Lütgendortmund Bahnhof übernahm die Linie 17 der BOGESTRA ihren Dienst. Das südliche Teilstück (Langendreer Bahnhof – Kaisersteg) wurde 1943 als Linie 22 reaktiviert, nachdem die zunächst eingesetzten Omnibusse nicht mehr zur Verfügung standen.

BUS STATT BAHN


Eine zweite Stilllegungswelle setzte nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Davon betroffen waren 1951 die inzwischen sanierungsbedürftige Strecke von Witten nach Langendreer (Linie 27), von Langendreer nach Castrop (Linie 22) und die im Herbst 1946 als Teil der „22“ zum zweiten Mal reaktivierte Verbindung vom Bahnhof Langendreer zum Kaisersteg.

Eine weitere Netzreduktion folgte in den 1970er- und 1980er-Jahren: 1972 wurde die von der Linie 12 befahrene Strecke zwischen Heven-Dorf und Herbede eingestellt, der Betriebshof Witten wurde 1973 aufgegeben. 1985 trennte man sich von der bei Bürgern und Straßenbahnfreuden gleichermaßen beliebten Strecke nach Annen sowie von der Verbindung zwischen der Bahnhofstraße und dem Wittener Hauptbahnhof.

Die ehemaligen Straßenbahnstrecken nach Castrop, Langendreer-West, Werne, Lütgendortmund und Annen nwerden heute von modernen Omnibussen befahren. Was vom einst weit verzweigten Wittener Straßenbahnnetz blieb, ist die Linie 310 zwischen der Haltestelle Papenholz in Bochum-Langendreer und der Endstelle Heven Dorf.

LINIEN 309 UND 310

Aktuell ist die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG in Witten mit zwei Straßenbahnlinien unterwegs: mit der Linie 310 (Höntrop Kirche – Heven Dorf) und mit der nur werktags verkehrenden Verstärkerlinie 309 (Langendreer Bahnhof – Hevn Dorf).

Als weiterer Verkehrsträger kam infolge der Integration der ehemals kreisfreien Stadt Witten in den Ennepe-Ruhr-Kreis Mitte der 1970er-Jahre die Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr hinzu. Sie betreibt mehrere Omnibuslinien, die das Wittener Stadtgebiet mit den umliegenden Gemeinden im Kreisgebiet verbinden. Seit 2018 besteht zwischen der Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr und der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG eine enge finanzielle Kooperation.

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