WESTFÄLISCH

Aufgrund der großen Probleme, die der Betrieb der Märkischen Straßenbahn mit sich brachte, suchten die Gesellschafter nach Möglichkeiten, ihren Straßenbahnbetrieb zu sanieren und professionell zu betreiben.

Eine Sanierungsoption war, alle Strecken nördlich des Rheinischen Bahnhofs in Langendreer an den Landkreis Dortmund abzutreten. Der Landkreis Dortmund betrieb sein bis Castrop reichendes Straßenbahnnetz auf Normalspur. Die Strecken der Märkischen Straßenbahn waren demgegenüber in Meterspur ausgeführt worden. Vor diesem Hintergrund war dieser Vorstoß nicht erfolgreich.

Neue Perspektiven ergaben sich, nach dem die wirtschaftlich gesunde Bochum-Castroper Straßenbahn am 20. Januar 1912 ihre Meterspur-Strecke von Bochum nach Harpen zum Amtshaus Lütgendortmund verlängerte. Die Endstelle der Bochum-Castroper Straßenbahn lag unmittelbar vor der Kreuzung mit der Provinzialstraße – und damit auch in unmittelbarer Nähe zur Trasse der Märkischen Straßenbahn.

Da die Geschäftsführung der Bochum-Castroper Straßenbahn die Notlage der Märkischen Straßenbahn kannte, überprüfte deren Direktor Paul Müller (1876 – 1927), inwieweit eine Zusammenarbeit oder gar eine Zusammenlegung der Betriebe wirtschaftlich Sinn machen würde.

Das lag durchaus im Interesse der kommunalen Gesellschafter: So war insbesondere Castrop sowohl an der Bochum-Castroper Straßenbahn als auch an der Märkischen Straßenbahn beteiligt.

Die Märkische Straßenbahn hatte 1911 eine Verzinsung des Anlagekapitals von 1,4 Prozent erzielt. Paul Müller errechnete, dass bei einer Zusammenlegung der Bochum-Castroper Straßenbahn, der ebenfalls kommunalen Straßenbahn der Stadt Herne und der Märkischen Straßenbahn aufgrund von Synergieeffekten eine Verzinsung von 5,6 Prozent des Anlagekapitals der Märkischen Straßenbahn möglich sein sollte.

Für die Bochum-Castroper Straßenbahn errechnete Paul Müller im Fall eines Zusammenschlusses eine um 1 Prozent bessere Verzinsung, für die Straßenbahn der Stadt Herne eine um 3,22 Prozent höhere Verzinsung.

Die im Februar 1912 in einer „Denkschrift über die Vereinigung der kommunalen Straßenbahn des Bochum-Herne-Witten-Castroper Bezirks“ festgehaltenen Überlegungen überzeugten die betroffenen Gemeinden.

Paul Müller hält in der Chronik zum zehnjährigen Bestehen der Westfälischen Straßenbahn fest: „Am 15. Mai 1912 wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung (der Bochum-Castroper Straßenbahn GmbH) die neue Westfälische Straßenbahn GmbH angenommen und am 24. Mai 1912 traten die Städte Witten, Herne, sowie die Gemeinden Langendreer, Lütgendortmund, Werne, Annen, Bommern und Laer dem Unternehmen als Gesellschafter bei. Gleichzeitig gingen die Märkische Straßenbahn und desgleichen die der Stadt Herne durch Kauf in den Besitz der Westfälischen Straßenbahn über.“

NEUE LINIEN

Zum Zeitpunkt des Besitzübergangs betrieb die Märkische Straßenbahn folgende Linien:

Linie 1: Witten West-Bahnhof – Annen Süd
Linie 2: Bommern Denkmal – Langendreer Nord / Bahnhof
Linie 3: Langendreer Nord / Bahnhof – Denkmal – Kaisersteg
Linie 4: Langendreer Nord / Bahnhof – Bahnhof Lütgendortmund
Linie 5: Laer, Provinzialstraße – Uemmingen – Werne – Lütgendortmund – Castrop

Die Westfälische Straßenbahn GmbH begann gleich nach ihrer Gründung, die Linien nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten neu zu ordnen. Das neue Liniennetz war wie folgt:

Linie E: Witten Bommern – Langendreer – Castrop Bürgermeisteramt
Linie F: Langendreer Nord / Bahnhof – Baulager Lütgendortmund – Bahnhof Lütgendortmund
Linie G: Laer – Uemmingen – Kaisersteg – Werne – Baulager / Depot Lütgendortmund
Linie H: Langendreer Denkmal – Kaisersteg
Linie J: Witten Bommern – Langendreer (Verstärkerlinie)
Linie K: Witten West-Bahnhof – Annen-Süd

Abgesehen von der Einstellung der Strecke Laer – Uemmingen – Werne und diversen Optimierungen der Streckenverläufe blieb die Netzstruktur der Märkischen Straßenbahn nach dem Verkauf an die Westfälische Straßenbahn im Kern erhalten.

Die Integration der Märkischen Straßenbahn in die Westfälische Straßenbahn GmbH war im Nachhinein nicht so erfolgreich wie von Paul Müller erwartet. Sehr bald wurde klar, dass praktisch das gesamte Gleisnetz der Märkischen Straßenbahn und die Oberleitungsanlage ersetzt werden mussten. Während die Märkische Straßenbahn für alle Strecken ein relativ schwaches Rillenschienenprofil verwendet hatte, fanden bei Bochum-Castroper Straßenbahn und bei der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG deutlich stärkere Profile Verwendung. Für die Masten der Oberleitung waren bei den letztgenannten Betrieben von Anfang an Betonfundamente üblich, während die Märkische Straßenbahn die Masten zumeist ohne zusätzliche Sicherung in den gewachsenem Boden getrieben hatte.

Die umfangreiche Ertüchtigung der Gleise und Oberleitungen wurde zwischen 1912 und 1916 ausgeführt. Gleichzeitig wurde auf vielen Strecken die Lage der Ausweichen zugunsten kürzerer Fahrzeiten verändert.

Auch der Wagenpark war den Belastungen auf langen Überlandstrecken nicht gewachsen. Ein großer Teil der Triebwagen der Märkischen Straßenbahn musste abgestellt werden. Die Fahrwerke konnten teilweise noch zum Bau von Güterwagen verwendet werden.

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