Die Akquise der Zeche Mont Cenis und der Westfälischen Straßenbahn GmbH war so erfolgreich, dass für zwei weitere Abnehmer von Sodinger Gasflammkohle in Witten, die Wittener Hütte AG und die Wittener Stahlformgießerei GmbH, improvisiert werden musste.
Da der Kohlebunker der Zeche Mont Cenis nicht ausreichte, wurde die Kohle für diese Kunden im Frühjahr 1918 zunächst auf das Gelände des Betriebshofes der Straßenbahn Herne – Sodingen – Castrop in Sodingen gebracht und dort in Selbstentladegüterwagen der Westfälischen Straßenbahn GmbH umgeladen.
3.250 Tonnen Kohle wurden 1918 von der Wittener Hütte AG bezogen. 710 Tonnen erhielt die Wittener Stahlformgießerei.
FÜR STAHLRÖHREN
Auch die Zeche Vereinigte Hamburg & Franziska in Annen wurde im Güterverkehr der Straßenbahn aktiv. Für sie entstand im Februar 1918 ein Anschlussgleis, das unmittelbar vor der niveaugleichen Kreuzung mit der Zechenbahn von der Straßenbahnstrecke nach Annen abzweigte.
Der Kohlebunker auf dem Zechengelände – er ist hier als Beitragsbild zu sehen – war aufgrund von Anwohnerbeschwerden über die Staubentwicklung vollständig geschlossen ausgeführt worden. Der Triebwagen musste während der Beladung der Güterwagen neben dem Bunker warten. Deshalb gab es auf dem Zechengelände eine Weiche und zwei Stellgleise (Abbildung aus dem Buch „10 Jahre Westfälische Straßenbahn“).
Weit fuhren die Kohlezüge der Zeche Vereinigte Hamburg & Franziska nicht. Die von ihr belieferten Wittener Stahlröhrenwerke lagen am Bahnhof Witten-Ost. Die Straßenbahnzüge erreichten das Werksgelände über eine Stichstrecke von der Kreuzung der Ardeystraße mit der Johannis- und Pferdebachstraße. Über das ehemals vom Personenverkehr genutzte Gleis in der Pferdebachstraße fuhren die Güterzüge bis zur Schlachthofstraße. Hier zweigte der Anschluss nach Süden von der Pferdebachstraße ab und verlief dann neben der Zufahrtstraße zum Güterbahnhof Witten-Ost, wo sich auf dem Gelände der Stahlröhrenwerke der Kohlelagerplatz befand.
Das Anschlussgleis hatte eine Länge von 150 Metern. An seinem Ende wurde über eine steile Rampe (Steigung 1:20) die etwa 80 Zentimeter hohe Entladerampe für die zehn Tonnen fassenden Selbstentladewagen erreicht.
FRAUENARBEIT
An der Entladerampe musste die Kohle per Hand in bereitgestellte Normalspurwagen der Werkbahn umgeladen werden, um die Bestimmungsorte im Werk zu erreichen. Diese Arbeit wurde, wie Fotos belegen, von jungen Frauen ausgeführt.
Die körperliche Belastung durch die Verladetätigkeit war augenfällig. Deshalb regte die Westfälische Straßenbahn an, eine Sturzbühne für den Kohleumschlag von der Straßenbahn auf die Werkbahn zu errichten. Die Wittener Stahlröhrenwerke lehnten das „mit Rücksicht auf die höheren Anlagekosten“ ab.
Die mit dem Rückstoßen der Güterwagen aus der Johannisstraße in die Pferdebachstraße verbundenen Behinderungen des Linienverkehrs konnten mit dem im Dezember 1918 abgeschlossenen Ausbau der Achse Ardeystraße – Marienhospital als Güterstrecke abgemildert werden.
UNERFÜLLTE QUOTEN
Die erste, am 7. Februar 1918 gelieferte Tagesmenge lag bei 40 Tonnen. Bis zum Jahresende 1918 wurden 9.990 Tonnen geliefert. Trotz der erheblichen Investition in das Anschlussgleis und in den Ausbau der Ardeystraße wurde der Kohleverkehr zu den Stahlröhrenwerken Ende 1918 eingestellt. Das Unternehmen bezog die benötigte Kohle nunmehr wieder von anderen Lieferanten über den eigenen Bahnanschluss.
Grund für das Ende des Straßenbahn-Güterverkehrs war, dass das Kohlesyndikat dem Werk nur eine Monatsmenge von 1.000 Tonnen zubilligte. Die geforderte Monatsmenge lag demgegenüber bei 1.250 Tonnen.
Selbst die Monatsmenge von 1.000 Tonnen konnte bis zum Jahresende 1918 in keinem Monat von der Zeche Vereinigte Hamburg & Franziska geliefert werden. 1925 stellte das Bergwerk den Förderbetrieb ein.